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Atelierbesuch | Wie arbeitet eigentlich Aatifi

„Wer ist Aatifi?“ fragte Raiko Oldenettel als er sich den aktuellen Katalog „News from Afghanistan“ zwecks Recherche besorgte und wählte diese Frage dann ebenfalls für den Einstieg zu seiner sehr lesenswerten Rezension. Viel interessanter scheint auf den zweiten Blick die Frage „Wie arbeitet eigentlich Aatifi?“. Seine großformatigen Werke, die momentan im Museum für Islamische Kunst im Pergamonmuseum Berlin gezeigt werden und dort inmitten der Dauerausstellung mit den Werken der Sammlung in einen Dialog treten, werfen sofort die Frage auf, in welchem Umfeld der Künstler arbeitet. An welchem magischen Ort entstehen 3×4 m Leinwände, die kaum durch Museumstüren zu passen scheinen? Wirft man einen Blick in den Katalog, stellt man fest, dass Aatifi in den verschiedensten Formaten arbeitet. Was seine afghanische Heimat und das Studium der Kalligrafie mit seinen Bildern zu tun, erzählte er bereits im Interview. Aber wo und wie arbeitet er? Um dieser Frage nachzugehen, durften wir ihn in seinem Bielefelder Atelier besuchen.

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Das Atelier
IMG_3890Das Atelier des Künstlers liegt in einem charmanten Altbau. Gleich nach dem Betreten umgibt den Besucher geballte Kreativität. Fast meint man am Schaffensprozess teilhaben zu können. Besonders viel Raum wurde dem Farbmaterial eingeräumt. Bis heute rührt Aatifi jede Farbe selbst an und bewahrt aus diesem Grund die unterschiedlichsten Materialien und Pigmente dafür auf. Traditionell wird in der Kalligrafie nur schwarz benutzt, bei Aatifi dagegen leuchtet jedes Bild. Wobei auch er in wenigen Fällen schwarze Bilder geschaffen hat. Neben den Farben, die er selbst anmischt, baut er seine eigenen Hilfsmittel. Da seine Werke sich auf die traditionelle Kalligrafie-Kunst beziehen, gibt es viele Linien, die von ihm flüssig und in einem Zug auf die Leinwand gebracht werden. Für die monumentalen Werke im Museum musste der Künstler beispielsweise einen 35 cm breitIMG_3891en Pinsel selbst herstellen. So entdeckt der Besucher nicht nur diverse Farben, sondern auch allerhand Utensilien, die auf ihren Einsatz oder ihre Transformation in in neue Werkzeuge warten. Würde an diesem Ort nicht so offensichtlich Kunst entstehen, man könnte ewig stöbern und die vielen Regale näher unter die Lupe nehmen. Diese „heiligen Hallen“ stehen normalerweise nicht für Besucher offen, hier arbeitet der Künstler an neuen Bildern, führt Vorstudien aus oder baut seine Hilfsmittel.

 

Der Ausstellungsraum

IMG_3864Nun muss das Atelier regulär auch nicht für Besucher geöffnet sein, denn in der ersten Etage befindet sich tatsächlich ein eigener Ausstellungsraum. Dieser ist dabei weitaus größer als viele Galerien in Innenstadtlage. Hier lädt der Künstler mehrmals im Jahr hin ein und präsentiert seine neusten Arbeiten. Gerade wird die nächste Ausstellung „Prozess IV“ gehängt, die im Rahmen der offenen Ateliers vom 22. August (ab 14 Uhr) bis zum 13. September zugänglich sein wird. Hier findet am 6. September (17 Uhr) zudem ein Künstlergespräch statt. Die Werke, diIMG_3872e bereits ihren Platz eingenommen haben, eröffnen einen ganz neuen Einblick in das Schaffen Aatifis. Hier treffen sich kleine und große Formate, Tusche-Zeichnungen und Radierungen. Sofort fällt ein Nebenraum ins Auge, an dessen Tür „Small Mysteries“ steht. Gegenständliche Kunst war das letzte, das der Besucher wohl erwartet hätte. In diesem Raum treffen islamische und griechische Mythologie aufeinander und lassen ganz neue Geschichten entstehen. Immer wieder erscheint die Ziege, die bereits in der Antike ein hochgeschätztes Tier war. In vielen alten Geschichten spielt sie eine wichtige Rolle und ist ebenso als Fabelwesen bekannt. Ziegenkäse und -fleisch waren für die Menschen des antiken Griechenlands zudem Nahrung und Opfergabe zugleich. Die Ziege als Nahrungsquelle spielt im heutigen Afghanistan immer noch eine große Rolle und auch dort findet man viele Geschichten über das Nutztier. Hier schafft der Künstler wieder eine Begegnung, eine Verknüpfung, von Altem und Neuem, zwischen den afghanischen Geschichten und denen der Antike.

 

Radierung trifft Tusche-Zeichnung 

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Die Bandbreite der genutzten Techniken des Künstlers ist beeindruckend. Die Tusche-Zeichnungen sind der traditionellen Kalligrafie am nächsten. Die leuchtenden Farben sind eine künstlerische Neuinterpretation der alten Technik, die Aatifi in zeitgenössische Kunst verwandelt. Auch im Atelier und in den Ausstellungsräumen sind nun einige neue Werke und Studien zu sehen. Neben Tusche arbeitet Aatifi ebenso mit der alten Technik der Aquatinta-Radierung. Dieses Verfahren der Druckgrafik wurde in den 1760er Jahren von Jean Baptiste LePrince begründet und von bedeutenden Künstlern wie Francisco de Goya und Joan Miró für ihre Arbeiten genutzt. Die Ergebnisse der Aquatinta-Technik ähneln in ihrer Anmutung lavierten Tusche-Zeichnungen, weshalb dieses Technik oft als die malerischste Druckart bezeichnet wird. Mehrere Editionen hat der Künstler so bereits realisiert, einige sind in der Ausstellung zu sehen.

Die bereits vorgestellte Serie „Small Mysteries“ sticht nicht nur durch ihre gegenständliche Darstellung im Werk des Malers hervor, sondern auch durch die neue Technik der Digigraphie. Alle Bilder entstehen auf dem Smartphone oder Tablett, das dem Künstler als Malunterlage dient. Auch hier verwendet er wieder seine eigenen, dafür hergestellten Hilfsmittel und Werkzeuge. Die Bilder werden anschließend auf hochwertiges Papier in kleinen Auflagen (15-25 Stk.) gedruckt und erscheinen als Edition.

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Wir danken Aatifi für den exklusiven Blick hinter die Kulissen und kommen gerne wieder! Weitere Informationen zu Ausstellungen und Werken finden Sie auf der Homepage des Künstlers.

Das Künstlerinterview zu Ausstellung und Katalog finden Sie hier.

 

 

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