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Die dunkle Seite der menschlichen Psyche

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Yaşam Şaşmazer wurde 1980 in Istanbul geboren, studierte  Bildhauerei an der Universität der Schönen Künste Istanbul  und lebt und arbeitet in Istanbul und Berlin. Ihr  künstlerisches Schaffen thematisiert die dunklen  Wesenszüge des Menschseins, rührt an innere  Konflikte. Autoren wie Dostojewski, E.T.A. Hoffmann oder  Edgar Allan Poe beeinflussten die Arbeiten in ihrem neuen  Buch “Doppelgänger”, das jetzt im Kerber Verlag erschienen  ist.

Wie bist du auf die Idee gekommen, eine Skulpturen-Reihe zum Thema des „Doppelgängers“ zu machen?

Yaşam Şaşmazer: Ich hatte schon eine ganze Weile über die dunkle Seite der menschlichen Psyche nachgedacht und daran gearbeitet. Die Beschäftigung mit der dunklen Seite brachte mich auf die Themen Unterbewusstsein und Schatten – und wenn man beginnt, sich mit Schatten auseinanderzusetzen, kann man es nicht vermeiden auch über seinen eigenen Schatten nachzudenken. In der Jungianschen Psychologie ist der Aspekt des Schattens Teil des Unterbewusstseins, welcher aus unterdrückten Schwächen, Defiziten und Instinkten besteht. All diese Gedankengänge führten mich auf das Thema des „Doppelgängers“.

“Doppelgänger” ist die erste Reihe, in der du Erwachsene darstellst. Im vorherigen Katalog (Yaşam Şaşmazer, 2006 – 2011, Kerber) zeigst du Skulpturen von Kindern. Wie verhält sich „Doppelgänger“ zu deinen früheren Arbeiten?

Yaşam Şaşmazer: Während ich an den Kinder-Skulpturen gearbeitet habe, habe ich über Themen wie die dunkle Seite, Schatten, Archetypen, das Unheimliche, Identitäten, Stereotypen, Rollen, das Selbst und den Anderen nachgedacht. Diese Aspekte konstituieren unsere Persönlichkeit und sind mit unserem ‚Erwachsenen-Dasein‘ verknüpft. Ich glaube, als ich dazu recherchierte und mehr darüber erfuhr, habe ich instinktiv begonnen mich mehr für die Probleme des Erwachsen-Seins zu interessieren. Und meine Skulpturen sind gewachsen.

Du zitierst Autoren wie Fjodor Dostojewski, Edgar Allan Poe und Chuck Palahniuk („Fight Club“) und betitelst deine Werke nach ihnen – wie haben sie deine Arbeit beinflusst?

Yaşam Şaşmazer: Als ich auf die „Doppelgänger”-Idee kam, wurde mir klar, dass das Thema sehr von Mythologie, Folklore und Literatur beeinflusst ist. Ich begann zu recherchieren und las viele Bücher zum „Doppelgänger“-Thema, zu den Theorien und psychologischen Ansätzen. Autoren wie Dostojewski, E.T.A. Hoffmann, Edgar Allan Poe, Mary Shelly, Robert Louis Stevenson, José Saramago und Palahniuk beeinflussten und prägten meine Arbeit sehr. Manche Sätze trafen bei mir richtig ins Schwarze. Nachdem ich die Bücher gelesen hatte fand ich, dass ich diese Gefühle ganz offensichtlich nicht besser beschreiben könnte und würde. Daher entschied ich, Zitate aus den Werken als Titel für die Arbeiten sowie in der Ausstellung eine Audioinstallation als Endlosschleife zu verwenden.

Doppelgänger bezieht sich auf die Erfahrung, seinem eigenen Schatten zu begegnen. Wie du einmal in einem Interview sagtest, repräsentiert jeder Skulptur dich selbst. Das wirft die Frage auf, wie autobiografisch deine Arbeit ist – stellst du deine eigenen Ängste und dunklen Seite dar? Und inwiefern ist sie über die Gesellschaft im Allgemeinen?

Yaşam Şaşmazer: Die Doppelgänger-Serie ist vollkommen autobiografisch. Das Projekt war der Versuch für mich, in den Spiegel zu sehen. Ein anderer Aspekt der Serie ist, dass sie von sozialen Identitäten und Masken in Gesellschaften handelt, in welchen Individuen Stereotypen und eine Typologie des „Normalen“ als sozialer Konsens aufoktroyiert werden.

Wenn du eine Skulpturen-Reihe herstellst: planst und skizzierst du sie im Voraus – das Thema, die zugrundliegenden Theorien, die Anzahl der Skulpturen, die Darstellung – oder ist es mehr ein offener Arbeitsprozess? Wie lange hast du gebraucht, die „Doppelgänger“-Serie zu kreieren?

Yaşam Şaşmazer: An der Serie habe ich über ein Jahr gearbeitet und es war ein offener Arbeitsprozess. Ich begann mit der Idee und einem allgemeinen Rahmen und durch das Lesen wurde mir das Thema klarer. Als ich begann, an den Skulpturen zu arbeiten, wusste ich beinahe, wohin es gehen sollte. Aber ein bisschen hat es sich während des Prozesses noch verändert.

Was ist dein nächstes Projekt, woran arbeitest du derzeit?

Yaşam Şaşmazer: Ich bin wieder bei den Schatten und entdecke dort neue Aspekte…

Vielen Dank für das Interview!

Jennifer Fielding von BERLINARTPROJECTS stellte die Interviewfragen und übersetzte die Antworten ins Deutsche. Sie hat die Redaktion von Doppelgänger übernommen. Als Soziologin interessiert sich Fielding besonders für die gesellschaftskritischen Aspekte in Şaşmazers Arbeiten und ist fasziniert von dem Abgründigen im Werk der Künstlerin.

Mehr über das Buch Doppelgänger, Kerber Verlag 2014.

Mehr über die Künstlerin Yaşam Şaşmazer.

 

 

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