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Joseph Beuys und Italien | and Italy

Joseph Beuys and Italy Book

Please scroll down for the English version!

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Mit „Joseph Beuys und Italien“ rückt erstmals ein bislang wenig beachteter Aspekt ins Blickfeld einer Ausstellung. Zeitlebens besaß Joseph Beuys (1921–1986) ein besonderes Verhältnis zu Italien: nirgendwo sonst als im Süden dieses Landes fühlte er sich mehr zu Hause, nirgendwo sonst außerhalb von Deutschland stellte er mehr aus.

In Italien entstanden seine bekanntesten Editionen wie La Rivoluzione siamo Noi (1971) oder die Capri-Batterie (1985), ebenso beeindruckende Hauptwerke wie Straßenbahnhaltestelle (1976), Olivestone (1984) oder die im Museo Capodimonte in Neapel gezeigte letzte große Installation Palazzo Regale (1985).

Joseph Beuys, der seine Kunst explizit mit einem grundlegenden gesellschaftlichen Wandel verband, war von Italien und insbesondere dem wirtschaftlich benachteiligten und ursprünglicheren Mezzogiorno, als Region eines in seiner Heimat (noch) nicht realisierbaren Kunst- und Lebensideals ganz besonders fasziniert: In der Kultur, Geschichte und Lebensart der Menschen des Mezzogiorno spiegelte sich für den Gesellschaftsreformer Beuys einmal mehr seine Idee der sozialen Plastik.

Als junger Soldat, für mehrere Monate in Foggia, Apulien, stationiert, hatte Beuys das Land kennen und lieben gelernt. „Italien ist wunderschön“, schrieb er 1943 begeistert an seine Eltern. Dort reifte auch sein Entschluss, eine Laufbahn als Künstler einzuschlagen. Als er 1971 mit einer Einzelausstellung nach Neapel und damit in diese Region zurückkehrt, ist dies Auftakt einer bis zu seinem Lebensende anhaltenden und sich in vielfältigen Projekten manifestierenden fruchtbaren Kooperation.

Neben frühen Italieneindrücken aus Kriegstagen wird die lebenslange von Freundschaft geprägte Zusammenarbeit mit dem neapolitanischen Galeristen Lucio Amelio ebenso gewürdigt wie das noch wenig bekannte ökologisch ausgerichtete Langzeit-Projekt Difesa della Natura in Pescara und Bolognano. Einen besonderen Höhepunkt bildet die aus Anlass der Erdbebenkatastrophe in Neapel entstandene und bislang höchst selten in Deutschland gezeigte Rauminstallation Terremoto in Palazzo (1981) aus der Sammlung Terrae Motus der Reggia di Caserta.

Anlässlich der Ausstellung ist ein Katalog in zwei Sprachausgaben (Deutsch und Englisch) erschienen, der mit zahlreichen Texten und Abbildungen die Erkenntnisse über Beuys‘ enge Beziehung zu Italien beleuchtet.

Kunsthalle Vogelmann, Außenansicht, Fotografie: Andrea Golowin, Heilbronn © Städtische Museen Heilbronn

Kunsthalle Vogelmann, Außenansicht, Fotografie: Andrea Golowin, Heilbronn
© Städtische Museen Heilbronn

Als Leseprobe finden Sie im folgenden das gekürzte Vorwort von Marc Gundel, Herausgeber und Direktor der Kunsthalle Vogelmann:

Kein Geringerer als Albrecht Dürer (1471–1528) begründete mit seinen beiden Reisen 1494/95 und 1505–07 die Italiensehnsucht deutscher Künstler. Sie blieb bis ins 20. Jahrhundert wirksam, wobei die Affinität zu Land, Leuten und mediterraner Lebensart vom Klassizismus bis hin zu den programmatisch „Deutschrömer“ genannten Künstlern um Arnold Böcklin (1827–1901) und Anselm Feuerbach (1829–1880) besonders ausgeprägt war. Seit Dürer basierte die Faszination Italiens auf dem Ineinandergreifen zweier unterschiedlicher Aspekte: der Begegnung mit und dem Studium von herausragenden Kunstwerken sowie dem Topos eines freiheitlichen, selbstbestimmten Lebens in klimatisch begünstigter und landschaftlich reizvoller Umgebung. Diese Tradition mündete in die Gründung von deutschen, auf die schönen Künste zielenden Bildungseinrichtungen im Land wie beispielsweise der Villa Romana, Florenz, und der Villa Massimo, Rom, die beide bis heute existieren.

Es liegt auf der Hand, dass ebenso Joseph Beuys (1921–1986), der seine Kunst explizit mit gesellschaftlicher Weiterentwicklung verband, von Italien und dort gerade von den südlichen Regionen, dem Mezzogiorno, als Ort eines in seiner Heimat (noch) nicht realisierbaren Kunst- und Lebensideals fasziniert war. Hinzu kommen einschneidende biografische Ereignisse, wie etwa sein Kriegseinsatz als Bordfunker in Foggia im Jahr 1943. Beuys traf hier in Italien tatsächlich auf Gleichgesinnte und eine Atmosphäre, die seinem künstlerischen Denken kongenial entgegenkamen. Dies zeigt sich exemplarisch in Hauptwerken wie Palazzo Regale, Projekten wie Difesa della Natura oder populären Multiples wie der Capri-Batterie.

Einerseits steht Beuys also in der eingangs erwähnten Tradition; zugleich erweiterte er diese um Aspekte der sogenannten Grand Tour. Diese zunächst jungen englischen Adeligen vorbehaltene Kavaliersreise diente dereinst der Ausprägung und Bildung von Persönlichkeit und Haltung durch die Beschäftigung mit Kunst und Kultur anderer Länder. Das bekannteste Beispiel deutscher Abkunft ist wohl Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832), dessen literarisch verarbeitete Italienreise auch Beuys inspiriert hat. Und schließlich gehört zur „Italianità“ à la Beuys die intensive Auseinandersetzung mit der keltischen Kultur als Pendant dazu – beide sah er in der Geschichte Süditaliens vereint. Allein die Quantitäten sprechen für sich: Beuys hat seit Anfang der 1970er-Jahre über 35 Mal in Italien ausgestellt und trat landesweit in Erscheinung. Neapel war dabei sein bevorzugter Ort, „wo er 1971 das erste Mal ausstellte und im Dezember 1985 im Museo di Capodimonte mit Palazzo Regale seinen Abgesang zelebrierte“ (Heiner Stachelhaus).
Die Zusammenarbeit mit seinem hier beheimateten Galeristen Lucio Amelio (1931–1994) nimmt ebenso in dieser Betrachtung den größten Raum ein; die Installation Terremoto in Palazzo bildet das Herz unserer in Heilbronn realisierten Schau, die sich fokussiert dem Thema Joseph Beuys und Italien widmet. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf dem agrarökologischen Langzeitprojekt Difesa della Natura zusammen mit den Baronen Durini sowie der Kooperation mit weiteren italienischen Verlegern und Galeristen. Aber auch den frühen, hier entstandenen Landschaftszeichnungen von Joseph Beuys ist ein eigenes Kapitel gewidmet.
Unserem Vorhaben, Joseph Beuys und seiner Affinität zu Italien nachzuspüren, kam ideal entgegen, dass uns mit Petra Richter, Düsseldorf, eine Autorin zur Seite stand, die sich mit diesem Thema seit geraumer Zeit intensiv auseinandersetzt. Ihr, der ausgewiesenen Beuys-Kennerin Kirsten Claudia Voigt, Karlsruhe, mit der wir bereits wiederholt zusammenarbeiten, sowie Magdalena Holzhey, Krefeld, verdanken wir wichtige inhaltliche Anregungen sowie substanzielle Essays für diese Begleitpublikation. Schließlich haben uns Martina und
Gabriele Mazzotta, Fondazione Antonio Mazzotta in Mailand, wertvolle Hinweise geliefert. Nördlich der Alpen erhielten wir großzügige Leihgaben aus der Galerie Isy Brachot, Brüssel, sowie vom Segantini Museum St. Moritz, dessen Kustos Beat Stutzer wir für seinen Aufsatz herzlich danken. Die nationalen Leihgeber sind über das ganze Land verteilt. Sie reichen vom Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg über das Museum Schloss Moyland bis ins oberbayerische Ilmmünster mit der Korff-Stiftung von Marian von Korff. Unter ihnen sind ferner enge Weggefährten von Beuys wie René Block und Ulrike Schmela (Tochter von Alfred Schmela), beide Berlin, Erhard Klein, Neuwied, Klaus Staeck, Heidelberg, sowie Lothar Schirmer, München. Ihnen allen gilt unser ergebenster Dank.

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Zur deutschen Ausgabe des Buches „Joseph Beuys und Italien“ bitte hier klicken.

 

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The exhibition Joseph Beuys and Italy focuses on an up to now little noted aspect. Beuys had a special relationship to Italy throughout his life: Here is where his most well known editions and last big installation, Palazzo Regale (1985), were created. It was in Italy where the artist felt most at home, and, for Beuys the social reformer, felt his idea of social sculpture most reflected in the culture, history and lifestyle of the Italian people. With around one hundred exhibits, drawings, works on paper, multiples, objects, as well as archival film and audio material – including numerous works never before presented in Germany – the exhibition catalogue invites viewers along on a special journey to Beuys‘ Italy.

As a reading sample find the shortened preface by Marc Gundel, editor of the book and director of the Kunsthalle Vogelmann, below:

With his two trips to the country in 1494/95 and from 1505 to 1507, no less a man than Albrecht Dürer (1471–1528) himself sparked German artists’ constant craving for Italy. The country continued to be a magnet until well into the twentieth century. The affinity with Italy, its people, and the Mediterranean way of life was especially strong during the Classicist period and among the group of artists associated with Arnold Böcklin (1827–1901) and Anselm Feuerbach (1829–1880), who were dubbed Deutschrömer (German Romans). From Dürer’s time onward, Italy’s appeal stemmed from the interplay of two distinct aspects: the encounter with and study of outstanding artworks, as well as the theme of a free, self-determined life in a setting that boasted an attractive landscape and a mild climate. This tradition led to the foundation of German educational facilities geared toward the fine arts in Italy, such as the Villa Romana in Florence and the Villa
Massimo in Rome, both of which have remained very active to this day.

It seems plausible that Joseph Beuys (1921–1986), who explicitly related his art to social progress, was also enchanted by Italy and by
its southern regions—the Mezzogiorno, in particular—for he saw it as a place where people were living out artistic and life-related ideals that had not (yet) been realized in his own home country. His attraction, of course, was also rooted in momentous biographical events, such as his wartime deployment as a radio operator in Foggia in 1943. And it is fair to say that, in Italy, Beuys really did encounter like-minded people and a congenial atmosphere beneficial to his artistic thinking. This can be seen, for example, in his seminal works, including Palazzo Regale, in projects such as Difesa della Natura, or in popular multiples, such as Capri-Batterie.

Beuys, therefore, is situated in the aforementioned lineage on the one hand, but at the same time he further expanded that tradition to include aspects of the so-called Grand Tour. Originally, the latter was exclusively undertaken by young, aristocratic, English gentlemen, and was intended to foster and cultivate their personalities and attitude by bringing them face to face with the art and culture of other countries. The best-known example of a German undertaking this tour is probably Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832), who reflected on his trip in his Italian Journey, which also influenced Beuys. And finally, the Italianita à la Beuys also involved a vigorous concern with Celtic culture as a counterpart to it. Beuys felt both were united in southern Italy’s history. The quantitative output alone speaks for itself: from the early 1970s onward, Beuys exhibited in Italy no less than thirty-five times, most definitely nationwide. He favored Naples, “where he first exhibited in 1971, celebrating his farewell here in December 1985 in the Museo di Capodimonte with Palazzo Regale,” as Heiner Stachelhaus puts it.

The cooperation with his gallerist Lucio Amelio (1931–1994), who lived in the city, is extensively portrayed in this volume, while the installation Terremoto in Palazzo forms the heart of the show presented in Heilbronn in 2016, which focused on the topic Joseph Beuys and Italy. A further focus is on the long-term, agro-ecological project Difesa della Natura, carried out in collaboration with the Baron and Baroness Durini, as well as the cooperation with other Italian publicists and gallerists. A separate chapter is also devoted to Joseph Beuys’s early landscape drawings made in Italy.
Our intention of tracing Beuys’s travels to Italy, along with his affinity to the country, was ideally aided by the fact that we worked with author Petra Richter in Düsseldorf, who has been closely studying the topic for some time now. Along with the renowned Beuys expert Kirsten Claudia Voigt in Karlsruhe, with whom we have had the pleasure of working several times before, and Magdalena Holzhey in Krefeld—Ms. Richter provided important stimuli in terms of content for the exhibition, as well as substantial essays for our accompanying publication.
We are grateful to our other Italian lenders, Gino Battista, Triggiano, Francesco Di Bennardo, Naples; Bruno Pisaturo, Rome; the Galleria
d’Arte Contini in Venice; and the Studio d`Arte Raffaelli, along with the Patrizia Gilli Collection in Trento. Martina and Gabriele Mazzotta of the Fondazione Antonio Mazzotta in Milan also provided valuable advice. North of the Alps we were given generous loans by the gallery Isy Brachot in Brussels, as well as by the Segantini Museum in S t. Moritz. We would like to sincerely thank the museum’s curator, Beat Stutzer, for contributing an insightful essay. The German lenders are scattered across the entire country, and include the Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, Museum Schloss Moyland, and Marian von Korff’s Korff Foundation, based in Ilmmünster in Upper Bavaria. More lenders include former companions of Beuys’s, such as René Block and Ulrike Schmela (daughter of Alfred Schmela), both of Berlin; Erhard Klein in Neuwied, Klaus Staeck in Heidelberg, and Lothar Schirmer in Munich. We would like to express our sincere gratitude to all of them, as well as to the collector Manfred Ballmann, with whom we have been on cordial terms since 2010, and to the photographer Jochen Schmidt, who has loaned us an impressive series of photographs.

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Find the English edition of the book „Joseph Beuys and Italy“ here.

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