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WASTE | Ein Interview mit Dieter Huber

Dieter Huber bei Recherchen zu WASTE in Johannesburg, Südafrika.

Dieter Huber bei Recherchen zu WASTE in Johannesburg, Südafrika.

 

Ihre Arbeiten beschäftigen sich mit gesellschaftlich relevanten Themen. In welcher Beziehung stehen Kunst und Gesellschaft für Sie?

DH: Als Künstler habe ich auch den Auftrag sozial relevante Themen zu bearbeiten, einen Blick auf das scheinbar Unbedeutende, Randständige und Verdrängte zu werfen und in einer ästhetisch hochwertigen, zeitgenössischen und individuellen Interpretation der Gesellschaft rückzuspiegeln.

 

Das Projekt „WASTE“ macht auf sehr ästhetische Weise die hochaktuelle Frage nach unseren Abfällen zum Thema. Wie ist die Idee dazu entstanden? Und warum ausgerechnet Müll?

DH: Die Kulturgeschichte des Menschen ist auch als eine „Geschichte der Vermüllung der Welt“ zu lesen. Ich habe mich schon oft über den vielfältigen Dreck an den unterschiedlichsten Orten der Welt gewundert bzw. geärgert und ich selbst habe ja auch sehr viel weggeworfen. Eine wirklich zivilisierte Gesellschaft verursacht keinen Müll; alles was übrig bleibt wird entweder renaturiert oder in einen verwertbaren Produktionskreislauf integriert. Mit dem ALPHA-LOOP habe ich gemeinsam mit Fachleuten versucht, einen globalen Gesamtkreislauf zu entwerfen, der einen gerechten und wahren Preis für Produkte und Dienstleistungen ermittelt, ohne die Ressourcen der Welt und der menschlichen Zivilisation zu schädigen oder zu vernichten. Und das jenseits von materiellen, politischen und moralischen Interessen und Behauptungen.

Das Projekt WASTE visualisiert als künstlerische Arbeit naturgemäß nur sichtbare Dinge. Es wirft allerdings Fragen auf, die weit über das Dingliche und Dargestellte hinausreichen: Was ist wirklich Müll im Leben? Was bedarf einer Erneuerung, wovon wollen wir uns trennen: Situationen, Umstände, Beziehungen, Abhängigkeiten, Sinnlosigkeiten, Zeitverschwendungen, Ablenkungen etc. … Und vor allem: was habe ICH – ganz individuell – dem entgegenzusetzen?

Dieter Huber: ALPHA LOOP, Modell zur Vollkostenermittlung des Gesamtkreislaufs für Produkte und Dienstleistungen inklusive der Neutralisierung aller genutzten Ressourcen

Dieter Huber: ALPHA LOOP, Modell zur Vollkostenermittlung des Gesamtkreislaufs für Produkte und Dienstleistungen inklusive der Neutralisierung aller genutzten Ressourcen

 

Für das Projekt haben Sie 6 Jahre lang Müll gesammelt. Nun sind die Besucher der Eröffnung zudem eingeladen Müll für eine Installation mitzubringen. Wie wird diese aussehen?

DH: Für die Ausstellungseröffnung werde ich meinen persönlichen Müll des Tages mitbringen und auch die Besucher werden gebeten ihren „REST OF THE DAY“ vorbeizubringen. Dieser wird personalisiert, d.h. mit dem jeweiligen Namen versehen und in einer gemeinsamen Installation mit den Bildern aus dem WASTE Zyklus wie Skulpturen auf Podesten oder frei im Raum platziert. Bin schon sehr neugierig, was da alles mitgeschleppt wird 😉 Die Feedbacks auf die Einladung fallen erwartungsgemäss recht unterschiedlich aus. Manche finden die Idee grossartig, andere wollen Ihren Müll lieber in der Tonne lassen – durchaus verständlich, denn das, was wir alltäglich zurücklassen, ergibt eine sehr persönliche Signatur unserer Existenz. Müll ist eine der letzten Tabuzonen unseres pseudoöffentlichen Lebens, etwas wirklich Intimes. Wer bereit ist, seinen individuellen Abfall zu veröffentlichen, verändert damit den Bezug zu Wertigkeit und Bedeutung von Dingen und Lebensweisen.

Die Kunst trägt hier zu einer stärkeren Wahrnehmung des „persönlichen“ und folglich des „gemeinsamen“ Mülls bei.

 

Dieter Huber: WASTE#176_Alandi

Dieter Huber: WASTE#176_Alandi

Ein Kunstbuch über Müll klingt im ersten Moment widersprüchlich. Aber schon das Cover ist wunderschön und zeigt Plastikmüll. Wie wichtig ist das Buch für das Projekt?

DH: Für das 180 Arbeiten umfassende Projekt selbst ist eine so hochwertige Publikation ein brauchbares add-on. Allerdings sind Ausstellungen nur temporär, das Kunstwerk selbst ist meist nur als Einzelwerk oder kleinen Werkgruppen zu sehen und verfügbar und nur ein im Handel erhältliches Buch und das Internet ermöglichen einen überzeitlichen Informationszugriff auf das Projekt in seiner Gesamtheit.

Weil ich meine gesamte Arbeit kostenlos für private Nutzung zur Verfügung stelle, stehen auch viele meiner Bücher im Web komplett zum Download bereit. Darüber hinaus ist das originale Kunstwerk wie auch die analoge, haptische und ästhetische Qualität eines klassischen Kunstbuches ein wichtiges Fragment einer Vergangenheit, die es Wert ist, in die Zukunft gerettet zu werden.

 

Haben Sie ein persönliches Lieblingskunstbuch?

DH: Immer das nächste an dem ich gerade arbeite, aktuell etwas thematisch ganz anderes und meine zwanzigste Einzelpublikation: ZWISCHENGAS – Ein Projekt über Geschwindigkeit und automobile Mythen. Langsam? Das sind immer die Anderen!

Vielen Dank für Ihre Zeit!

Das Interview führte Michelle van der Veen.

 

Dieter_Huber_WASTE_Buch

 

Publikation: WASTE, Mai 2015.
herausgegeben von Dieter Huber,
mit Texten von United Nations, Andreas J. Hirsch, Dieter Huber
Gestaltung: Dieter Huber

Ausstellung: „Dieter Huber – Waste“, 9.7.-9.8.2015, Kunstraum proarte, Hallein

ERÖFFNUNG
Donnerstag, 9. Juli 2015, 19.30 Uhr
INSTALLATION
Die Vernissagebesucher werden herzlich gebeten, ihren persönlichen Müll vom 9. Juli
für die gemeinsame Installation THE REST OF THE DAY mitzubringen.
Für die freundliche Beteiligung bedanken wir uns bei den ersten dreißig Besuchern
jeweils mit einem Exemplar der Publikation WASTE.

Weitere Info zum Projekt: http://dieter-huber.com/blog

 

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