Unser Fotobuch „Zartrosa & Lichtblau“ wurde in der Kategorie “Fotogeschichte” mit dem Deutschen Fotobuchpreis 2016 in Gold ausgezeichnet.
Die Begründung der Jury:
„Als sich Europa und die USA 1854 Zugang zu dem seit Jahrhunderten abgeschotteten Japan verschaften, fanden sie eine hoch entwickelte Kultur in einer feudalistischen Gesellschaft. Unter militärischem und politischem Druck des Westens brach diese Zeitkapsel auf und wurde ins Industriezeitalter katapultiert. Im Werkzeugkasten der Modernisierer befanden sich sieben Standardinstrumente zur „unbedingten Europäisierung“, wie die Herausgeberin Christine Kühn schreibt: Dampfmaschine, Gaslicht, Heißluftballons, Zeitungen, Ausstellungen, ein Postsystem – und die Fotografie.
Dieses Buch zeigt Bilder aus jener Phase des rasanten Umbaus der japanischen Gesellschaft. Die Abbildungen stammen aus den Beständen von fünf Berliner Institutionen, allesamt zugehörig der Stiftung Preußischer Kulturbesitz: die Kunst- und die Staatsbibiliothek, das Ethnologische Museum und das für asiatische Kunst, sowie das Geheime Staatsarchiv. So viel institutionelle Power garantiert die editorische Qualität vom Feinsten – sechs lesenswerte Aufsätze beleuchten das fremde Terrain, es folgen 250 Abbildungen.
All das ist eine grafische Gestalt gebracht, die passender kaum sein kann, bis hin zur zarten Tönung des Papiers und typografischen Delikatessen bei der Paginierung, den Kapiteltrennern, Bildunterschriften etc. Der Bildteil besteht aus zum allergrößten Teil aus Fotografien, dazu kommen aber auch einige Dutzend wichtige Holzschnitte, die das Gesamtbild abrunden. Diese Holzschnitte machen klar, aus welcher Bildtradition frühe japanische Fotografie kommt, und warum sie so wirkt, wie wir es hier sehen: Statisch, edel, nostalgisch, traditionell. Nur zum kleineren Teil liegt das an der Trägheit und Kompliziertheit der damaligen Technik. Zwar beschreibt der deutsche Militärarzt Richard Kleffel, 1889 in Yokohama stationiert, ziemlich genervt, wie ein ums andere Mal die Inszenierung eines Reisefotos scheitert, weil es an der Technik hapert. Aber viel wichtiger als solche Limits sind die mentalen Barrieren, die den westlichen Blick auf Japan beschränken.
Die Globetrotter, Kaufleute, Militärs und Forscher wollten meist gar nichts anderes sehen als ihr eigenes, nostalgisches Klischee des mittealterlichen Japan. Während innerhalb weniger Jahrzehnte die Vorherrschaft der Ritterrunden durch Chemiefabriken, Hochhäuser und Telegraphenmasten ersetzt wurde, entwickelt sich die Fotografie zum Hort des zeitlos Schönen, aber auch Gestrigen. Fast alle westlichen Reisenden erlebten das Land so, wie es zahlreiche Reiseführer empfahlen: Vom Schiff ins Hotel, von dort ins nahegelegene Fotostudio. Dieses hält Bilder bereit, die am traditionellen Kanon der Holzschnittkunst orientiert sind – schöne Frauen, berühmte Orte, Schauspieler – und die Inhaber versorgen die Fremden mit Tipps where to go. Der Reisende klappert die Empfehlungen ab, und beschließt die Tour wieder im Fotostudio, um sich die Abbildungen der bereisten Plätze im individuellen Erinnerungs-Album zusammenstellen zu lassen.
Er bleibt unbehelligt von lästiger Realität, und der Fotograf macht Umsatz, beiden ist also bestens gedient mit diesem geschlossenen System aus Erwartung, Klischee, Bestätigung und Profit. Sogar verdiente Wissenschaftler wie Peter Jessen, Direktor der Bibliothek des Berliner Kunstgewerbemuseums, dem ein großer Teil der hier gezeigten Erwerbungen zu verdanken ist, machen da keine Ausnahme. Bei seiner Japanreise im Jahr 1913 klagt Jessen, dass „eine Sintflut allergemeinster Leuchtreklame das Land ärger verpestet als Amerika“, aber: „der Kunstfreund gewöhnt sich, eine Art geistiger Schutzbrille vor die Augen zu setzen.“ Solche Sichtbehinderungen transparent zu machen, ist nur ein Verdienst dieses wunderschönen Buches.“
Unsere Publikationen „Karin Székessy. Dialoge“, „Das Lachen und die Kamera“ sowie „BERLIN ARTISTS“ haben es auf die Shortlist geschafft und tragen damit den Titel „nominiert“ und sind ebenfalls Teil der großen Wanderausstellung.
Die angesehene Auszeichnung „Sieger Deutscher Fotobuchpreis“ steht für herausragende fotografische Qualität, einen überzeugenden ästhetischen Gesamteindruck und eine hervorragende fototechnische oder fotogeschichtliche Leistung. Alle Sieger des Deutschen Fotobuchpreises 2016 finden Sie hier. Gemeinsam gehen die Bücher nun als große Wanderausstellung auf Tour. Den Beginn macht die Präsentation im Rahmen der Stuttgarter Buchwochen 2015 (12.11. bis 6.12.). Im kommenden Jahr folgen dann unter anderem Stationen in Brüssel, Karlsruhe, Köln und natürlich auf der Frankfurter Buchmesse.
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