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#SAVE | Interview mit Dieter Huber

In Ihren Arbeiten nehmen Sie sehr direkt Bezug zu politischen und gesellschaftsrelevanten Themen. Warum ist es für Sie wichtig, dass Kunst diese Themen aufgreift?

Da die Politik auf so vielen Ebenen versagt, sehe ich mich als Künstler gefordert, sozial relevante Themen zu bearbeiten. Das ist natürlich überzeichnet, aber dennoch sind verantwortungsbewusste Bürger in der Pflicht, die europäische Kultur weiterzuentwickeln. Bildende Kunst hat hier viel zu bieten. Kunst ist weit mehr als Selbstinszenierung, Dekoration oder profitables Investment. Kunst, wie ich sie sehe, vermag sowohl auf persönlicher wie auf kultureller Ebene einen wichtigen Beitrag zu leisten. Die Auseinandersetzung mit Kunst führt zu intensivierter Wahrnehmung und zu vertieftem Verständnis – sowohl von uns selbst, als auch von unserem sozialen Umfeld. Je besser die Hintergründe, Netzwerke und Strukturen der Welt verstanden werden, desto stärker wird die Resonanz zwischen Individuum und Umgebung. Das wiederum kann zu einem bewussten, sogar zu einem geglückten Alltag und Leben führen und kann demzufolge die subjektive, soziale und politische Zukunft von uns allen positiv beeinflussen.

 

In Ihrer Publikation #SAFE thematisieren Sie das Spannungsfeld von Freiheit und Sicherheit auf einer individuellen wie auch gesellschaftlichen Ebene. Wie kam es zu der Auseinandersetzung mit dieser Thematik?

Zu Beginn des Projekts vor sieben Jahren wollte ich mich der Überwachungsthematik widmen. Bilder von Überwachungskameras, die Technik selbst, die Architektur der Überwachungseinrichtungen sind bekannt, aber visuell einfach langweilig. Daher musste ich das Thema wesentlich größer fassen. Überwachung und Kontrolle entspringen einem Sicherheitsbedürfnis, das im Kontrast zur Freiheit steht. #SAFE arbeitet mit dieser Polarität auf vielen Ebenen und vereinigt sechs Ausstellungsprojekte. Eine der Herausforderungen war die Visualisierung des nicht Darstellbaren, also Bilder die über die Bande gedacht und realisiert werden.

Auf der einen Seite steht die Philosophie der Freiheit, die Entwicklung von Zivilisation und Kultur, die Demokratie, der Austausch mittels Kommunikation und friedlicher Diplomatie. Die Sequenz POLICY setzt in 101 Arbeiten diesen Bereich mit gefrästen Texten in anthrazitfarbenen Spiegeln um.

Dem gegenüber steht die Konfrontation, der Streit, der Konflikt auf Leben und Tod, der Krieg. Die Recherchen in diesem Bereich haben sich als enorm aufwändig erwiesen, denn ein Künstler wird z.B. von Waffenproduzenten nicht wahrgenommen. Ich habe dann über ein hiesiges Unternehmen mittels „Wallraff-Methode“ mit Rüstungskonzernen verhandelt, Waffenmessen und Hersteller besucht. Das letzte Jahr verbrachte ich mit umfangreichen Recherchen in diversen Abteilungen des Österreichischen Bundesheeres, des Innenministeriums und der Spezialeinheit Cobra. Natürlich wurde ich auch vorab vom Abwehramt überprüft. Hinzu kamen Kooperationen mit dem Heeresgeschichtlichen Museum und etlichen Unternehmen. Die jeweils 25-teiligen Sequenzen SURVEILLANCE, ARSENAL, STRIKE, BURST visualisieren die Gewaltthematik. Abschluss findet das Projekt mit APOLOGIA, einem realen Steyr-Mannlicher HS50 Präzisionsgewehr, mit dem bis auf 2,5 km Personentreffer erzielt werden können.

Begleitend zur Publikation #SAFE ist nun eine Collector’s Edition entstanden. Können Sie etwas über die Entstehung und den inhaltlichen Bezug zur Publikation erzählen?

Gemeinsam mit dem Verleger Christof Kerber entstand die Idee zu einer Collector´s Edition. Für die Gestaltung des Umschlages habe ich Alu-Dipond in den Oberflächen Weiß, Butlerfinish und Spiegel Anthrazit bedruckt und gefräst, analog zu den Bildträgern der Kunstwerke der einzelnen Sequenzen. Dadurch wird schon die gesamte Auflage eine Edition. 
Im politischen Sinne gilt: Je größer der gesellschaftliche Sicherheitsanspruch desto kleiner wird die individuelle Freiheit. Das lässt sich auch umkehren: FREE ≠ SAFE, wie es auf einer Arbeit und auf der Rückseite des Buchcovers zu lesen ist.

Die Sequenz STRIKE befasst sich mit Einschüssen, vom kriegsauslösenden Treffer im Franz-Ferdinand Wagen in Sarajevo über K&K Beschussplatten aus Marinestahl bis zu den Testschüssen der Spezialeinheit Cobra auf mein Alu-Dipond Material. Durch die Kooperation mit der Leica Camera AG konnte ich diese Treffer mit einem hochauflösendem Spezialequipment fotografieren und großformatig umsetzen.

Für die Collector´s Edition mit der Auflage von 33 Exemplaren habe ich selbst die Covers mit dem ausgefrästen SAFE. Die #SAFE Collector´s Edition ist nun quasi „originaler“ als die Kunstwerke selbst, die ja „nur“ als Reproduktion von Einschüssen im großen Maßstab existieren. Nur in der Edition werden die heftigen Auswölbungen, die scharfen Durchschuss-Spitzen im Material und bei der Spiegelversion auch die spannenden Verzerrungen des eigenen Gesichts sichtbar.

 

Welchen Stellenwert nimmt für Sie die Umsetzung des Projektes in Buchform ein?

Als einer der Pioniere der computergenerierten Bilder bin ich naturgemäß ein Superuser von neuen Technologien und Medien. Die Idee eines Kunstwerks lässt sich mittlerweile über das Netz besser und weiter verbreiten, was sich auch durch Tausende Besucher auf meiner Website zeigt. Dennoch schließe ich meine großen Projekte mit einer Art Bild-Lese-Buch ab: Mein Beitrag im Buch ist das Werk selbst, dazu kommen ein Kunsttext und Beiträge zum Inhalt des Projekts, der nicht aus der Kunst selbst, sondern aus dem gesellschaftlichen Leben stammt.

Das Buch als haptisch sinnliches Objekt und inhaltlicher Vermittler tritt immer mehr in den Hintergrund. Die enorme Oberflächlichkeit unserer Zeit hat meiner Beobachtung nach auch mit dem Fakt zu tun, dass die Aufmerksamkeitsdauer immer mehr schwindet und nur wenige Menschen ein substantielles Buch auch wirklich lesen. Ein probates Gegenmittel: Spannende Ideen in einem hochwertigem Buch materialisiert sind mir Herausforderung, Genuss und Form von bleibender und zugleich zukunftsweisender Qualität.

 

An welchen Projekten arbeiten Sie zurzeit?

Aktuell arbeite ich an einem großformatigen Stillleben aus Aluminiumrecyclingmaterialien. Rezyklierte Produkte haben oft eine verminderte Qualität. Bei Aluminium ist das anders, denn es wird hochwertiger bei unvergleichlich wenig Energieaufwand als bei der Erstherstellung. Ein unglaubliches Phänomen für mich, das hoffentlich auf andere Bereiche übertragen werden kann. 
Daneben habe ich bereits das nächste Buch vorbereitet, eine Menge Bildträger grundiert und freue mich auf die Muße der Malerei.

 

Olav Forsang
Collector’s Edition #SAFE

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