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5 Fragen an Thomas Bergner

Wie intensiv setzt sich ein Fotograf noch mit seinem Motiv auseinander? Wie viel Aufmerksamkeit widmet der Betrachter dem Bild? Diesen Fragen widmet sich der Fotograf Thomas Bergner (*1985) in seinem neuen Buch Internalized Kami. Seine Arbeiten zeigen eine Vielzahl von Orten zwischen Himmel und Erde, oftmals nach Einbruch der Dämmerung oder in der Dunkelheit. Mit uns sprach der Künstler über seine Arbeiten und seinen künstlerischen Werdegang.

1. Kannst Du uns ein bisschen etwas über deinen Werdegang erzählen. Warum hast du dich für die Fotografie entschieden? Wo hast du studiert?

Ich bin 1985 in Plauen geboren und habe dort als Teenager meine erste Praktika Kamera in die Hand bekommen, mit der ich meine ersten Schwarzweißfilme belichten konnte. Später entschied ich mich dann für eine Fotografieausbildung, die ich im Jahr 2008 in einem Werbefotostudio in Nürnberg abschloss. Für mich war es sehr wichtig eine handwerkliche Ausbildung in diesem Beruf zu machen, da man einfach wahnsinnig viel Grundlegendes lernt, was man vielleicht so in einem reinen Fotografiestudium nicht beigebracht bekommt. Gut zwei Jahre nach der Ausbildung kam dann aber doch der Punkt, an dem ich mich noch weiter entwickeln wollte, und so bewarb ich mich an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg. Dort begann ich 2010 mit einem Studium in Grafik-Design. Nach zwei Semestern bemerkte ich, dass mir das Studium immer noch zu angewandt ist und so wechselte ich in die Klasse der freien Kunst zu Prof. Heike Baranowsky. In dieser Klasse beendete ich dann auch mein Studium als Meisterschüler im Jahr 2016. Seitdem bin ich Dozent für Fotografie an selbiger Hochschule.

2. Deine Fotografien wirken flüchtig, teilweise verschwommen, wie hinter einem Schleier, so dass man das Motiv nur erahnt. Was genau reizt dich an dieser Bildästhetik?

Auch wenn die Fotografien flüchtig wirken ist es doch so, dass die Kamera oft für längere Zeit an einem Ort verharrt. Für mich liegt der Reiz darin die Fotografien herzustellen, die Motive zu belichten. Es ist immer anders und man kommt wirklich nie in eine Routinesituation. Oft ist es so, dass die Kamera zwischen einer und vier Stunden in der Landschaft steht und den Film belichtet. In diesem Zeitraum wird die Kamera aber sukzessive vom Fremdkörper / Voyeur zu einem Teil der ganzen Szenerie – sie wird von der Umgebung vereinnahmt oder umarmt könnte man sagen. Während dieser Momente verliert man die Kontrolle über die Entstehung des Bildes, was in mir eine wahnsinnige Spannung erzeugt. Man kann das Ergebnis bis zu einem gewissen Grad vielleicht ungefähr deuten, aber man sieht erst nach der Filmentwicklung was wirklich rausgekommen ist. In den Bildern selbst geht es immer um Details, um Konzentration, um Atmen, um Ruhe und um die Grenze des sichtbaren. Ich möchte erreichen, dass sich der Betrachter für jedes einzelne Bild Zeit nimmt, es analysiert, darüber nachdenkt und vielleicht seine eigene Geschichte einbringt.

3. Lars Blunck bewertet Apps wie Snapchat, die nur „flüchtige Momente“ einfangen, in seinem Text eher kritisch. Wie ist Deine Meinung dazu?

Auch wenn dieser Textteil vielleicht etwas Negativ klingt geht es hier doch eher um den Vergleich. Im Text stellt sich ja vielmehr die Frage welche Gewichtung das fotografische Einzelbild in unserer heutigen Gesellschaft besitzt. In diesem Kontext muss man natürlich auch über die Schnelligkeit in der Ära der „mobile photography“ sprechen, die Flut an Bildern die täglich auf uns einbricht oder was davon am Ende des Tages noch in unseren Köpfen hängen bleibt. Ich nutze ja auch selbst diese Medien und versuche meist durch Screenshots oder Ähnliches eine Art „reminder“ zu konstruieren, so dass ich mich zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal damit auseinandersetzten kann. Ich finde es extrem wichtig Bilder nicht nur beiläufig zu betrachten, sondern ihnen die Aufmerksamkeit zu schenken die ihnen gebührt.

4. Dein Buch hat einen ganz besonderen Kunstgriff eingebaut. Es gibt seitenweise leere Seiten. Warum war dir das wichtig? Und welche Idee steckt dahinter?

Zu diesem Konzept gibt es zwei Faktoren. Faktor eins ist die Idee, das Medium Buch als Raum oder Architektur zu begreifen in dem meine Bilder hängen. Würde man es mit einer meiner Ausstellungen vergleichen, sieht man, dass auch hier sehr viel weißer Raum vorhanden ist. Dieser weiße Raum ist mir wichtig, weil man von keinem Bild erschlagen wird, sondern sich in Ruhe auf jedes einzelne einlassen kann. Es geht ja schließlich darum sich zu konzentrieren und sich darauf einzulassen. Faktor zwei ist die Idee, Pausen einzufügen, eine Art Erholung oder ein Moment der Ruhe zwischen den einzelnen Bildern. Die Anordnung der weißen Seiten war auch tatsächlich eine langwierige Angelegenheit. Es gab einige Anläufe bis der richtige Rhythmus vorhanden war.

5. Was sind Deine nächsten Pläne und Projekte?

Internalized Kami ist keine abgeschlossene Arbeit. Es ist viel mehr der erste Auszug aus einem Zyklus der sich immer weiter entwickelt. Es ist für mich schwer vorstellbar damit plötzlich aufzuhören. Ich genieße diese unglaubliche Ruhe, wenn man stundenlang an einem Ort verharrt und eigentlich nichts zu tun hat außer zu warten. Man nimmt die Umwelt wieder ganz anders wahr, weil man ja Teil der ganzen Szenerie ist. Auch die schier endlose Suche nach Motiven und Orten ist ein großer Teil der ganzen Arbeit, den ich nicht missen möchte. Es gibt Nächte an denen ich absolut nichts finde aber trotzdem nicht enttäuscht bin. Die Kami kann man eben nicht bestellen, man muss sie antreffen.

Thomas Bergner
Publikation Thomas Bergner. Internalized Kami

Herausgeber: Thomas Bergner
Gestaltung von Christoph Kraus, Marcus Zoller
ISBN 978-3-7356-4024-6

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