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Martha Jungwirth im Interview

Man kann Martha Jungwirth, die große Einzelgängerin der österreichischen Kunstszene, wohl als bekannteste unbekannte Künstlerin des Landes bezeichnen. Hans-Peter Wipplinger, Kurator der Ausstellung „Martha Jungwirth. Retrospektive der Kunsthalle Krems hat die Künstlerin zu ihrer aktuellen Werkschau interviewt.

Welchen Eindruck haben Sie, wenn Sie Ihren Katalog durchblättern bzw. wenn Sie beim Gang durch die retrospektive Ausstellung in der Kunsthalle Krems ihr fünf Jahrzehnte währendes Schaffen vor sich sehen?

Martha Jungwirth: Durch die intensive Auseinandersetzung im Zuge der Retrospektive haben wir weit über 1000 Werke gesichtet, um daraus eine Auswahl zu treffen. Eigentlich interessiert mich als Künstlerin vornehmlich die gegenwärtige Produktion, weniger die Vergangenheit. Es ist aber natürlich auch für mich interessant, eine derartige Zusammenschau von Werken aus fünf Jahrzehnten zu erleben, weil evident wird, welche Kontinuitäten und Brüche mein Werk dominieren. Eingeschriebene Grundmodelle, stellt man fest, kehren in den unterschiedlichen Werkphasen immer wieder, wenn auch in verschiedenen Modifizierungen.

Welche kunsthistorischen Ausformungen haben Sie in Ihrer Arbeit inspiriert?

Martha Jungwirth: Ich habe mich immer dem Informellen wie dem Abstrakten Expressionismus nahe gefühlt. Der Aspekt der Freiheit in diesen Ismen kommt meinem Naturell und meinem Denken entgegen. Inspirationsquellen jedoch sind immer persönliche, auch emotionale Impressionen aus bzw. über eine vermeintliche Wirklichkeit, wie Dingwelten, Landschaften oder Menschen. Mich interessiert dieser Zwischenbereich zwischen dem Gegenständlichen und ihrer Abstraktion, die Metamorphose dieser Vor-Bilder. Als gelungen bezeichne ich dann Werke, wenn es gelingt, das Denken beim Malen weitgehend abzuschalten, wenn sozusagen der Pinsel beginnt, sich zu verselbständigen.

Welches künstlerische Medium steht Ihnen am Nächsten?

Martha Jungwirth: Generell kann man sagen, dass Zeichnung, Aquarell oder Öl für sich jeweils ganz eigene Qualitäten besitzen. So sehr mein Frühwerk dominiert wird durch die Zeichnung, so hat sich in den letzten Jahren die Aquarell- und Ölmalerei in den Vordergrund geschoben. So sehr die Zeichnung noch mehr am Gegenständlichen orientiert war, so sehr haben die Abstraktionstendenzen in Aquarell wie in Öl zugenommen. Wenngleich ein gewisser expressiver Zugang in allen von mir verwendeten Medien eine Konstante darstellt, so ist bei Grafit der Aspekt der Linie naturgemäß dominanter, beim Aquarell die extreme Wässrigkeit und dadurch Transparenz, und nicht zuletzt die Kompaktheit bei der Verwendung von Ölfarbe signifikanter.

Trotz Ihres umfangreichen Arbeitens wurde Ihr Werk relativ wenig gezeigt. Wie erklären Sie sich diese geringe Ausstellungspräsenz?

Martha Jungwirth: Dies hat vielleicht mit Moden oder Trends zu tun, um die ich mich nie gekümmert habe. Nachdem ich als junge Künstlerin bereits interessante Ausstellungen gehabt habe und mir einige Auszeichnungen und Preise verliehen wurden, ist das Interesse in den 1980er-Jahren an dieser Art von Kunst wie ich Sie mache, ein wenig abgerissen. Dies ermöglichte mir jedoch ein ruhiges Arbeiten ohne jeglichen Druck oder Beeinflussung durch den Kunstmarktbetrieb. Dieses Faktum, so denke ich, hat meinem Schaffen in der Stille gut getan. Aber natürlich freut es mich sehr, dass mein künstlerisches Lebenswerk nun in der Kunsthalle Krems erstmals einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, denn welcher Künstler schafft schon gern für sich alleine. Die Kunstwerke brauchen den Betrachter, um zum Leben zu erwachen.

Die Künstlerin: Martha Jungwirth wurde 1940 in Wien geboren. 1956–1962 Studium an der Universität für Angewandte Kunst in Wien. 1977 Teilnahme an der documenta 6 in Kassel. 1967–1977 Lehrtätigkeit an der Universität für Angewandte Kunst, Wien. Die Künstlerin lebt und arbeitet in Wien und Neumarkt an der Raab.

Ausstellung: „Martha Jungwirth. Retrospektive“, 13.7. – 2.11.2014, Kunsthalle Krems; Eröffnung am Samstag, 12.07.2014, 18:00

Katalog: „Martha Jungwirth. Retrospektive“, Kerber Verlag 2014.

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