Welcome to

Kerber Blog

Home / Gastautoren / Rezension: „Just Ask! From Africa to Zeitgeist“

Rezension: „Just Ask! From Africa to Zeitgeist“

Beim Aufschlagen des Buches “Just Ask!” scheine ich ein ansprechend gestaltetes alphabetisch geordnetes Nachschlagewerk in den Händen zu halten. Von A wie „Abstraction“ bis Z wie „Zoom“ folgen Einträge zu technischen, fototheoretischen aber auch zu philosophischen Begriffen. Ich bleibe beim Blättern an einzelnen Seiten hängen und merke schnell, dass es sich keineswegs um ein konventionelles Nachschlagewerk handelt. Neben kurzen Wörterbucheinträgen stehen mehrere Seiten umfassende, sehr persönliche und engagierte Essays. Einzelne Seiten mit Zitaten regen zum Nachdenken an und laden mich zum Weiterblättern ein.

Die vom renommierten Kurator und Kunstkritiker Simon Njami herausgegebene Publikation „Just Ask!“ ist der erste Versuch die Dynamiken, Erfahrungen und kritischen Reflexionen im Geist des renommierten Meisterklasse Workshops einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. DerMeisterklasse Workshop fand unter Leitung von Simon Njami in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut Südafrika zum ersten Mal 2008 während der Maputo Biennale in Mosambik statt. Begonnen als Portfolioreading mit internationalen Expert_innen aus den Bereichen der Fotografie, Kunstkritik und des Kuratierens entwickelte sich daraus ein sehr beliebter und geschätzter Workshop für zeitgenössische afrikanische Fotograf_innen. Dieser findet jedes Jahr in einem anderen Land  statt und ist immer an eine große Biennale oder ein Fotofestival geknüpft. Hier können sich die Fotograf_innen interkontinental vernetzen und sich mit Hilfe eines technischen, inhaltlichen und diskursiven Mentorings durch internationale Expert_innen weiterentwickeln. Dabei sollen die jungen Fotograf_innen nicht nur lernen, ihre Arbeiten selbstkritisch zu reflektieren, sondern auch sich im globalen Fotografiediskurs sowie auf dem Kunstmarkt zu positionieren.

Viele dieser Ansätze finden sich in der Publikation „Just Ask!“ wieder. Die Arbeiten afrikanischer Fotograf_innen sowie fotografische Dynamiken und Entwicklungen des Kontinents werden in den einzelnen Beiträgen in den global vorherrschenden euro-amerikanischen Fotografiediskurs eingebettet. Dabei werden sowohl Parallelen und Verbindungen behandelt als auch Gegenströmungen offengelegt. Der Schwerpunkt liegt auf der Untrennbarkeit fotografischer Entwicklungen in Afrika von der euro-amerikanischen Fotografiegeschichte, was auch in der Illustration der Veröffentlichung deutlich wird. Hier stehen Fotografien von der südafrikanischen Fotografin Zanele Muholi neben Aufnahmen des französischen Dokumentarpioniers Henri Cartier-Bresson. Auf eine Komposition der deutschen Künstlerin Beate Gütschow folgen kolonialkritische Aufnahmen des ausgezeichneten kongolesischen Fotografen Sammy Baloji. Der dadurch provozierte Bruch mit einer immer noch dominierenden Exklusion der afrikanischen Fotografie aus der globalen Fotografiegeschichte ist eine der großen Stärken des Buches. Leider zieht sich dies nicht durch alle Essays hindurch, sodass ich auf einigen Seiten den Afrikabezug doch sehr vermisse. Regional werden – bis auf einige Ausnahmen – vor allem Entwicklungen in Südafrika behandelt. Auch hier wären regional breiter gefächerte Referenzen wünschenswert, welche die Vielfalt des fotografischen Schaffens auf dem Kontinent noch besser hervorheben würden. Vielleicht liegen diese Divergenzen in den Beiträgen jedoch auch an den unterschiedlichen Perspektiven, aus denen die Verfasser_innen schreiben.

Eine weitere Stärke von „Just Ask!“ ist der interdisziplinäre Zugang zu den aufgeworfenen Fragestellungen und Themen. Auf verschiedenen Ebenen werden unter den alphabetischen Einträgen aktuelle kritische Diskurse, wie z.B. zur Museenkritik, eingebettet. Dabei werden weniger Lösungsvorschläge oder starre Definitionen formuliert, sondern vielmehr Denkanstöße geliefert, welche mich als Leserin zur eigenen Recherche und Reflexion anregen. Als besonders interessant und gelungen erachte ich auch die Verlinkung der Fotografie mit weiteren künstlerischen Ausdrucksformen, wie der Musik, dem Film und der Literatur. So findet sich ein Eintrag vom Kurator und Fotografen Akinbode Akinbiyi zum Thema „Jazz“ wieder. Auf den ersten Blick scheint dies ein aus dem Kontext entnommener Eintrag zu sein. Doch auch auf den Workshops der Meisterklasse gehört eine Horizonterweiterung durch die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen künstlerischen Ausdrucksformen und Medien zur persönlichen und fotografischen Weiterentwicklung der Teilnehmer_innen.

Insgesamt fordert „Just Ask!“ sprichwörtlich zum Fragen und Reflektieren auf. Es verbindet etablierte Theorien aus der Fotografiegeschichte mit aktuellen Diskursen, die sowohl in Europa, als auch in Afrika eine große Rolle spielen. Dabei wird mit der Dichotomie des „wir“ und des exotischen, entkoppelten „Anderen“ gebrochen. Mit der Publikation wird ein neuer Weg innerhalb der globalen Fototheorie beschritten. Es wäre wünschenswert, wenn sich Fotograf_innen, Kurator_innen und Fotografieinteressierte von diesen „neuen“ Denkanstößen inspirieren lassen würden.

Persönlich hätte ich mich sehr über eine vollständige Bibliographie zum Weiterlesen sowie über einen Index mit den Fotograf_innen, auf die sich in den Essays bezogen wird, sehr gefreut. Doch das mindert die inhaltliche Stärke der Einträge sowie des Gesamtkonzepts nicht.

Just Ask!, (Texte u.a. von Akinbode Akinbiyi, Chris Dercon, Simon Njami, Frédérique Chapuis, Katrin Peters-Klaphake, Sean O’Toole), 200 Seiten, 24,95 €, Kerber Verlag 2014.

Text von Marianna Wegner, studiert an der Humboldt-Universität zu Berlin den MA Afrikawissenschaften und an der Freien Universität Berlin den MA Sozial- und Kulturanthropologie. Ihre Interessensschwerpunkte liegen in der Postkolonialen Theorie und kritischen Auseinandersetzung mit Selbst- und Fremdrepräsentationen innerhalb (Neo-)kolonialer Strukuren und Kontinuitäten. Außerdem beschäftigt sie sich mit dem Zusammenspiel und den Wechselwirkungen von Medien, Kunst, Religion und Gesellschaft (v.a. in Westafrika und der Diaspora) sowie mit dem Schaffen afrikanischer Photograph_innen und deren Positionierungen in globalen Photographiediskursen.

2 thoughts on “Rezension: „Just Ask! From Africa to Zeitgeist“”
  1. Ania 2. August 2015 on 19:43 Antworten

    Sehr interessante Einblicke in das Buch „Just Ask!“. Ich habe gerade auch einmal die Vorschau der Bilder angeschaut und bin wirklich beeindruckt! 🙂

    • michelleveen 7. August 2015 on 9:54 Antworten

      Vielen Dank für das positive Feedback. Das freut uns sehr!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

#Kerberverlag

>> <<