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Buchgestaltung | Ein Interview mit Florian Frohnholzer von SOFAROBOTNIK

Wie ein Buch gestaltet wurde, ist maßgeblich für den Erfolg. Soweit, so bekannt. Aber wie ensteht eigentlich ein Buch-Design, was hat der Inhalt damit zu tun und wie arbeitet ein Buchgestalter? Wir haben Florian Frohnholzer, Kommunikations-Designer und Buchgestalter, unsere Fragen gestellt. 

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Die Bücher „Raw Materials. Vom Baumarkt ins Museum“, „Surfaces. Adolf Fleischmann – Grenzgänger zwischen Kunst und Medizin“ und „Timm Ulrichs. Bilder finder – Bild erfinder“ wurden von Florian Frohnholzer individuell und aufwendig gestaltet.

Herr Frohnholzer, wenn ich mir Ihr Portfolio anschaue, dann gestalten Sie Buchcover aller Art. Vom Schul- oder Lehrbuch bis hin zum künstlerischen Coffee Table Book. Wie gestaltet man so unterschiedliche Bücher immer wieder neu und anders?

Gute Frage, denn sie trifft die Herausforderung meines Berufs als Gestalter auf den Punkt. Die Antwort darauf ist aber eigentlich ganz einfach: Inhaltlich gleicht ja kaum ein Buch dem anderen, man muss sich also in jedes Projekt neu hineindenken, um eine entsprechende Form zu finden. Und exakt darin liegt der Reiz: Bei Null starten, Thema erkunden, Zielgruppe und Kundenwünsche ausloten, Hirn einschalten und los geht’s. Diese allererste Phase ist die wichtigste, die immer wieder wahnsinnig viel Freude bereitet.

Wie wichtig sind Ihnen Inhalt und Leser-Zielgruppe für die Gestaltung?

»Form follows function«, oft zitiert, oft missinterpretiert – aber in seiner Aussage einfach unübertroffen: Wozu will ich mich als Designer selbst verwirklichen, wenn dadurch später das fertige Buch nicht mehr funktioniert? Ich bin der festen Überzeugung, dass beim Gestalten das Wichtigste ist, der Sache zu dienen. Das schließt Mut zum Andersdenken, Liebe zum Detail, auch Widerspruch nicht aus, all das sollte aber eben zu Inhalt und Zielgruppe passen.

Als Designer kann man eine unendliche Fülle von Objekten gestalten. Wie sind Sie zur Gestaltung von Büchern gekommen?

Das liegt schon recht lange zurück: Meine Liebe zu Büchern habe ich all den vielen Freitagnachmittagen zu verdanken, die wir als Kunst-Leistungskurs in Münchner Museen und Galerien verbracht haben – das Ganze damals freiwillig, wohlgemerkt! Bei besonders eindrucksvollen Ausstellungen habe ich dann als Erinnerung die Kataloge erworben. Die Freude am Gestalten von Büchern habe ich ebenfalls im Gymnasium entdeckt: Foto-Jahrbuch-Gruppe mit selbst entwickelten S/W-Abzügen, Klebelayout von Text-Bild-Kombinationen und ganz viel Herz. Mit Kommunikationsdesign habe ich dann eher zufällig einen Studiengang gefunden, der all meine damaligen Vorlieben und Hobbys vereinen konnte.

Nach meinem Diplom und den ersten Erfahrungen in der Selbständigkeit, habe ich dann solange beim Prestel Verlag gebaggert (den kannte ich von meinen Katalogen), bis wir einen Vorstellungstermin bekommen haben. Ich wusste, ich möchte unbedingt Bücher machen, und als das dann geklappt hat, ist für mich natürlich ein Traum in Erfüllung gegangen.

Das Buch „Surfaces“ ist besonders schön geworden und hat eine äußerst ansprechende Haptik. Wie ist die ungewöhnliche Cover-Umschlag-Kombination entstanden?

Beim Buch handelt es sich um den Katalog zur Ausstellung »Surfaces. Adolf Fleischmann – Grenzgänger zwischen Medizin und Kunst«, deren Besonderheit darin liegt, dass erstmals neben Fleischmanns Werken aus dem Bereich der Konkreten Kunst auch seine Leistungen als Bildner von Moulagen gezeigt werden. Das sind naturgetreue Wachsmodelle kranker Körperteile, die er in den 1920er Jahren für die Züricher Chirurgische Klinik anfertigte. Man kann sich vorstellen, dass eine Coverabbildung »Röntgenatrophie der Brusthaut mit alter Fistel nach Bestrahlung wegen Caries costarum (Tbc)« nicht unbedingt funktionieren würde. Da Fleischmanns Lebenslauf für den inhaltlichen Aufbau von Ausstellung und Buch als Gerüst dient, war es naheliegend mit einem Porträt als verbindendes Bildelement gestalterisch zu arbeiten.

Die Bedeutung des Haupttitels »Surfaces« wird durch die Verwendung von Transparentpapier als Umschlag-Material hervorgehoben: »Oberflächen« werden dem Leser deutlich gemacht, indem der Titel nicht auf dem Umschlag, sondern auf dem Buchbezug platziert ist, er also lediglich unter dem Transparentpapier hervorschimmert. Eine Oberfläche wird schließlich dann erst bewusst wahrgenommen, wenn man weiß, da existiert auch noch etwas darunter.

Was war die besondere Herausforderung bei dem Buch? Gab es unterschiedliche Erwartungen und Vorgaben vom Kunstmuseum und Medizinhistorischen Museum?

Und ob es die gibt! Das war sogar der entscheidende Aspekt bei diesem Projekt. Sich eine gemeinsame kommunikative Ebene zu erarbeiten, hat zunächst einmal einen relativ hohen zeitlichen Aufwand bedeutet. Gleichzeitig hat das aber auch unwahrscheinlich Spaß gemacht, denn ich durfte wirklich mit absoluten Koryphäen zusammenarbeiten. Da war es also manches Mal auch an mir, für gestalterische Feinheiten mit stichhaltigen Argumenten einstehen zu müssen. Wir haben es alle miteinander geschafft, eigene Vorlieben und eingetretene Pfade aufzugeben, und stattdessen dem jeweiligen Fachwissen Vorrang zu geben. Sicher – ab und zu war das schon hartes Training, aber – um beim Bild des Fußballs zu bleiben: Es gab viele unvergessliche Spielzüge mit Ballstafetten und Doppelpässen vom Allerfeinsten!

Wir sind ein super Team geworden und man kann sogar behaupten, dass wir alle einen persönlichen Sieg davongetragen haben. Peter Aldin, Adolf Fleischmanns einziger Nachkomme, ein mittlerweile älterer Herr, der viel Insider-Wissen und privates Bildmaterial zum Katalog beisteuern konnte, hat sich mit rührenden Zeilen aus seiner Heimat New York bei uns bedankt:

»I could not be more impressed by the amount of work and scholarship which the book entails. It is also most beautifully illustrated and presented. My profound admiration and gratitude, both for this work and the exhibition.«

Ihre Gestaltung greift den Titel und das Thema der Ausstellung in vielen Details auf, ist aber gleichzeitig auch ungemein aufgeräumt und leserfreundlich. In wie weit spielen die unterschiedlichen Vorgaben der Museen hier eine Rolle?

Da ich das Museum für Konkrete Kunst seit längerem auch bei anderen Ausstellungen gestalterisch betreuen darf, befinde ich mich in der luxuriösen Lage, die Vorgaben selbst gemacht zu haben. Und diese besagen, dass es bei Katalogen keine gibt. Jede Gestaltung darf also eigens der Ausstellung angepasst sein – unabhängig von der CI des Museums. Wenn man übrigens die restlichen Kataloge für das MKK betrachtet, die bisher von Ihrem Haus verlegt wurden, ist das sehr deutlich zu erkennen. Bei »Timm Ulrichs. Bilder-Finder – Bild-Erfinder« war mir besonders wichtig, durch die Verwendung zweier Schweizer Broschuren ein gleichzeitiges Lesen von Bild und Text zu ermöglichen. Ulrichs‘ in einem Interview geäußerte Ideen und Gedanken stehen somit unmittelbar neben seinen Kunstwerken. In beiden Teilen gibt es Verweise auf Abbildungen bzw. Textpassagen, man kann also das Interview lesen und Werke direkt danebenliegend betrachten, oder auch umgekehrt vorgehen und sich Zitate zu Abbildungen heraussuchen. Beim Titel »Raw Materials – Vom Baumarkt ins Museum« stand hingegen das Spiel von Farben und Materialien, die aus dem Kontext Baumarkt stammen, im Vordergrund. Die Arbeiten der Gruppenausstellung widmen sich sämtlich diesem Themenfeld, da wäre es doch wirklich schade gewesen, wir hätten nicht versucht, das beim Ausstellungskatalog gestalterisch anklingen zu lassen.

Bei Fleischmann nun haben wir erstmals ein textlastiges Buch für Ihren Verlag gemacht. Umso wichtiger war es also, einen leserfreundlichen Satzspiegel und Umbruch zu gewährleisten. Da verweise ich gerne abschließend auf Ihre erste Frage nach den großen Unterschieden unserer Bücher: Wenn man bereits Grundschulfibeln oder Deutschbücher für Integrationskurse entworfen und gesetzt hat, kennt man die Stellschrauben sehr genau, mit denen man Leserfreundlichkeit erzielen kann. ABC und Tbc liegen also im Grunde sehr nahe beieinander.

 Das Interview führte Michelle van der Veen.

Zur Person

Interview_Portrait_Frohnholzer Florian Frohnholzer lebt und arbeitet als Kommunikations-Designer in seiner Heimatstadt München. Als einer von drei Gesellschaftern des Gestaltungsbüros SOFAROBOTNIK betreut er den Kundenbereich Kunst und Kultur. Dabei sind Kataloge für das Haus der Kunst, die Pinakotheken in München oder für die Staatlichen Museen zu Berlin entstanden. Die Ausstellung „Surfaces“ des Museums für Konkrete Kunst und des Deutschen Medizinhistorischen Museums in Ingolstadt ist ein Novum seiner mehr als zehnjährigen Tätigkeit: Erstmals gilt es die Themenfelder Kunst und Medizin gestalterisch zu vereinen. Florian Frohnholzer ist glücklicher Vater zweier Kinder und verbringt seine Samstage gerne in der Südkurve des FC Bayern.

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